Schulung der Schulter durch propriozeptives Training
Es ist sehr wahrscheinlich, dass Sie Ihren Proprio-Rezeptoren nicht genug Aufmerksamkeit schenken. Was für Rezeptoren sind das überhaupt?
Beginnen wir mit der grundlegenden Vorstellung: Die meisten Ihrer Gelenke stellen bewegliche Verbindungen zwischen zwei Knochen dar. Sowohl Bänder und Knorpel als auch Muskeln und Sehnen sind für die Stabilisierung zuständig. Unter bestimmten Umständen kann diese Stabilität nachlassen, ohne dass Sie es direkt bemerken. Wir werden Ihnen aufzeigen, wie Sie das Zusammenspiel in Ihrem gesamten Bewegungsapparat auf höchstem Niveau schulen können.
Was genau sind Proprio-Rezeptoren?
Nach etwaigen Verletzungen oder chirurgischen Eingriffen, beispielsweise am Kniegelenk, aber auch infolge von unzureichender, fehlerhafter oder einseitiger Beanspruchung, kann die Gelenkstabilität beeinträchtigt werden. Dies liegt daran, dass die sogenannten "Lagemelder", die Proprio-Rezeptoren (aus dem Lateinischen: proprius = eigen, allein angehörig; recipere/receptus = aufnehmen, empfangen), oft geschädigt sind.
Die verschiedenen Sensoren, auch Rezeptoren genannt, sind in den Muskeln, Sehnen und in der Haut lokalisiert. Bei einer Beeinträchtigung gelangen weniger Informationen über die Gelenkstellung und Muskelspannung an das Gehirn. Demnach stellen die Proprio-Rezeptoren die sensorische Rückkopplung des Gelenks dar.
Auch eine Mangelbewegung im täglichen Leben und die damit einhergehende Inaktivität Ihrer Gelenke führen zu einer Verschlechterung der Tiefensensibilität. Dies resultiert in einer reduzierten Schutzfunktion und einer geringeren motorischen Kontrolle. Konkret können beispielsweise unerwartete Belastungen den Verlust Ihres Gleichgewichts auslösen.
Die Sportwissenschaft (vgl. Quanthe/ Hille, 1999) definiert Propriozeption, welche auch als Tiefensensibilität oder Eigenwahrnehmung bezeichnet wird, als die bewusste und unbewusste Verarbeitung von afferenten (hinführenden) Signalen bezüglich der Gelenkstellung, der Gelenkbewegung und der Gelenkkraft durch das zentrale Nervensystem.
Das bedeutet im Klartext: Propriozeption bildet die fundamentale Basis für die motorische Steuerung des menschlichen Bewegungssystems. Und wer seine Bewegungen mit höchster Präzision und Geschmeidigkeit kontrollieren kann, profitiert in jeder denkbaren Situation.
Gezieltes Training der Tiefensensibilität Ihrer Gelenke
Unabhängig davon, ob Sie sich in einer Rehabilitationsphase befinden, zukünftigen Beschwerden vorbeugen möchten oder schlichtweg Ihre Körperwahrnehmung zur Steigerung Ihrer Leistungsfähigkeit optimieren wollen: Durch ein gezielt ausgerichtetes Training können Sie Ihre Kraft, Ihre Muskulatur und Ihre Gelenkstabilität maßgeblich unterstützen. Dabei verbessern Sie Ihren Gleichgewichtssinn und steigern die Tiefensensibilität Ihrer Gelenke. Klingt dies nicht äußerst sinnvoll? Lassen Sie uns Ihnen im Folgenden zeigen, wie Sie die Kontrolle über Ihr gesamtes Bewegungssystem behalten und diese sogar noch weiter verfeinern, damit Sie sowohl im Alltag als auch in jeder Sportart eine höhere Leistungsfähigkeit erzielen!
Hier können Sie Ihren individuellen Trainingsplan für eine gesteigerte sportliche Performance herunterladen:
Welche Hilfsmittel sind für das propriozeptive Training erforderlich?
Als Anfänger im Bereich des Motoriktrainings ist es zunächst ausreichend, mit dem eigenen Körper zu arbeiten und sich im Anschluss die Instabilität einbeiniger (unilateraler) Übungen zunutze zu machen. Sie werden erfreulicherweise schnell eine Verbesserung Ihrer Tiefenstabilität feststellen, indem Ihnen die Übungen bereits nach wenigen Wochen merklich leichter fallen. Zu diesem Zeitpunkt sollten Sie dann auf das nächste Niveau aufsteigen und entsprechende Hilfsmittel einbeziehen. Die Anschaffungskosten für diese Geräte sind im Vergleich zu herkömmlichen Krafttrainings- oder Ausdauergeräten eher gering. Als Hilfsmittel oder Trainingsgeräte können Sie beispielsweise Gymnastikbälle, stark zusammengerollte Gymnastikmatten, Balance Boards, Balance-Kissen sowie Sport- und Therapiekreisel oder einen Halbball wie den Bosu Ball verwenden.
Fünf methodische Empfehlungen für Ihr propriozeptives Training
Beim propriozeptiven Training hat die Exzellenz der Bewegungsausführung absolute Priorität. Achten Sie daher bitte darauf, dass Sie Ihre Übungen mit voller Konzentration, kontrolliert und stets gut erholt durchführen. Ihre Füße spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Aus diesem Grund sollten die Übungen, wann immer es machbar ist, barfuß absolviert werden.
- Ausgangsposition: Bitte achten Sie auf eine achsengerechte Körperhaltung und die korrekte Stellung Ihrer Füße, Knie, Hüften und Ihrer Wirbelsäule.
- Inhalt: Konzentrieren Sie sich auf sowohl statische als auch dynamische Übungsausführungen. Das Ziel ist es, den Schwierigkeitsgrad fortlaufend zu erhöhen, beispielsweise durch Übungen mit geschlossenen Augen.
- Zeitpunkt: Führen Sie Ihre Übungen nach dem Aufwärmen und vor dem eigentlichen Krafttraining durch.
- Dauer: Abhängig von Ihrem individuellen Trainings- und Leistungszustand sollten Sie etwa 10 bis 15 Minuten trainieren, wobei die Halte- bzw. Wiederholungszahlen wie folgt aussehen:
Bei statischen Übungen ist eine Haltedauer von 5 bis 15 Sekunden empfehlenswert.
Bei dynamischen Übungen führen Sie zwischen 10 und 25 Wiederholungen durch. - Vorsicht: Bitte brechen Sie die Übung umgehend ab, sollten Sie Konzentrationsschwierigkeiten bei der Bewegungsausführung oder Schmerzen im betroffenen Gelenk oder Muskel verspüren. Ein Training über die Schmerzgrenze hinaus ist hierbei nicht ratsam.
Die wirkungsvollsten Anfängerübungen zur Verbesserung der Tiefensensibilität
Anstatt sich sofort den instabilsten Trainingsgeräten zuzuwenden, beginnen Sie zunächst ganz einfach mit der bewussten Körperwahrnehmung und der Steuerung Ihrer Bewegungen:
- Liegend, sitzend oder stehend bewegen Sie langsam und mit Bedacht nacheinander Ihre Fuß-, Knie-, Hüft-, Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenke. Auf diese Weise schulen Sie zunächst einmal Ihr Körpergefühl.
- Anschließend begeben Sie sich in den Einbeinstand mit offenen Augen auf einer stabilen Unterlage.
- Wenn dies erfolgreich gemeistert wurde, fahren Sie im Einbeinstand mit geschlossenen Augen auf einer stabilen oder sogar instabilen Unterlage fort, beispielsweise auf einer aufgerollten Fitnessmatte oder einem Balance-Kissen.
- Als anspruchsvollste Variante können Sie im Einbeinstand auf einem Therapiekreisel diverse Übungen absolvieren, wie zum Beispiel die einbeinige Standwaage oder den Pistol Squat.
- Alternativ: Sie können Kniebeugen auf einer zusammengerollten Gymnastikmatte oder auf einem Balance-Tool ausführen, ebenso wie Ausfallschritte und den Unterarmstütz.
Fünf Übungen für erfahrene Wackel-Profis
Sie halten sich bereits stabil in der Standwaage? Dann ist es an der Zeit, das nächste Instabilitäts-Level zu erklimmen. Hier sind fünf anspruchsvolle Wackel-Übungen für Sie und Ihre Proprio-Rezeptoren:
1. Liegestütze auf einer instabilen Oberfläche
2. Oberkörperrotation mit Zusatzgewicht auf instabilem Untergrund
3. Einbeiniges Hüftheben auf dem Gymnastikball oder Bosu-Ball
4. Unterarmstütz mit den Beinen auf dem Gymnastikball platziert
5. Rollouts ausgeführt auf dem Gymnastikball
Für alle Läufer oder ehemaligen ambitionierten Fußballer lohnt es sich auch, das bewährte Lauf-ABC wieder in den Trainingsplan zu integrieren: Skippings, Kniehebelauf, Hopserlauf, Anfersen und Rückwärtslaufen.
Die Vorteile des regelmäßigen Trainings Ihrer Proprio-Rezeptoren
Ein genereller Mangel an Bewegung, Muskelverletzungen oder Operationen an Gelenken können zu Störungen im Reizleitungssystem führen. Dies resultiert in einem Verlust der Fähigkeit, zielgerichtete, kontrollierte und effektive Bewegungen auszuführen. Die Konsequenz ist eine Einschränkung bei alltäglichen und/oder sportlichen Aktivitäten. Oftmals bemerkt man dies selbst kaum, bis man propriozeptiv trainiert und den spürbaren Unterschied erkennt.
Fazit: Motorik- und Sensorik-Training vervollständigen jedes Workout
Das primäre Ziel des propriozeptiven Trainings besteht darin, Ihre Eigenwahrnehmung und die Qualität Ihrer Bewegungen wiederherzustellen sowie nachhaltig zu optimieren. Durch eine gezielte Schulung Ihrer motorischen und sensorischen Fähigkeiten können Sie eine signifikante Verbesserung Ihrer Tiefensensibilität erzielen. Dies wird Sie in jeder Sportart leistungsfähiger machen. Dennoch ersetzt diese Trainingsform selbstverständlich nicht Ihr Kraft-, Ausdauer- und Beweglichkeitstraining. Es empfiehlt sich, nach dem Aufwärmen für etwa zehn Minuten einige der hier vorgestellten Übungen zu absolvieren, bevor Sie sich Ihrem üblichen Ausdauer- oder Kraftprogramm widmen. Viel Spaß beim Ausprobieren und Wackeln!
Quellen:
Froböse, I., Nellessen, G. (Hrsg.): Training in der Therapie. Ullstein Medical. Wiesbaden. 1998
Häfelinger, U., Schuba, V.: Koordinationstherapie - Propriozeptives Training. Meyer & Meyer. Aachen. 2002.
Quanthe, M., Hille, E.: Propriozeption. Eine kritische Analyse zum Stellenwert in der Sportmedizin. In: Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin 50 (1990) 10, S. 306-310.