Gedächtnis und Gehirn: Eine tiefgreifende Betrachtung
Zahlreiche Erfahrungen, eine Fülle von Büchern und eine endlose Menge an Zahlen - es ist wahrhaftig erstaunlich, wie viel unser Gehirn zu speichern vermag, wenn es denn gewillt ist.
"Mamma mia, sind die denn alle doof?" Gianni Golfera, gerade einmal vierzehn Jahre alt, erlebte sein erstes Mal tiefes Erstaunen über das Verhalten anderer Menschen. Stellen Sie sich die Situation vor: Er trifft Bekannte aus seiner frühen Kindheit, mit denen er im zarten Alter von drei Jahren spielte. Und was behaupten diese? Dass sie sich an jene Zeiten nicht mehr erinnern können!
Hatten sie vor, ihn zum Narren zu halten? Gianni sieht die Erlebnisse vor seinem inneren Auge, als wären sie erst gestern geschehen. Im Allgemeinen behält der Junge alles im Gedächtnis: jede einzelne Fernsehsendung, die er je gesehen hat, und jedes geführte Gespräch. Er erinnert sich an Namen, Gesichter und sämtliche Bücher, die er jemals durchgeblättert hat; selbst langatmige Zahlenfolgen bleiben ihm erhalten.
Geradezu spielerisch sind Zahlen für ihn: Zehn Ziffern, ein kurzer Blick darauf, und sie verweilen für immer in seinem Gedächtnisspeicher.
Die Launenhaftigkeit des Gedächtnisses: Wie eine Diva
Mit seinen vierundzwanzig Jahren hat sich Gianni Golfera in Italien einen Namen gemacht, nicht zuletzt aufgrund seines außergewöhnlich scharfen Erinnerungsvermögens. Kürzlich wurde er sogar von Medizinern eingehend untersucht, um die Ursache für die computerähnliche Funktionsweise seines Gedächtnissystems zu ergründen. Denn solch ein Phänomen ist äußerst selten.
Das Erinnerungsvermögen der breiten Masse gleicht eher der launenhaften Natur einer Diva: Manche Informationen behält es bereitwillig. Andere nur zur Hälfte. Und wenn es schlichtweg keine Lust verspürt, tritt es - tja! - kurzerhand in den Streik! Zweifellos haben Sie selbst schon fleißig für eine Klausur gelernt - nur um dann in der Prüfung festzustellen, dass Ihnen absolut nichts mehr einfällt.
Eselsbrücken: Der unsichtbare Spickzettel im Gehirn
"Wer nämlich mit 'h' schreibt, ist dämlich." Ungeachtet der Simplizität einer Eselsbrücke - ihre Wirksamkeit ist unbestritten! Wir haben für Sie die nützlichsten Eselsbrücken zusammengetragen.
Was passiert eigentlich in unserem Gehirn?
Wie genau schafft es unser Gehirn, sich Dinge zu merken? Wissenschaftler haben festgestellt, dass dieser Prozess in mehreren Etappen abläuft. Neue Informationen, die über Augen oder Ohren aufgenommen werden, gelangen umgehend in das sogenannte "Kurzzeitgedächtnis". Diese Bezeichnung leitet sich davon ab, dass hierbei Informationen nur für einige Sekunden bis wenige Minuten gespeichert werden.
Oftmals erweist sich diese Kapazität als vollkommen ausreichend: beispielsweise um einen von Ihrem Lehrer diktierten Satz niederzuschreiben. Oder um sich die Telefonnummer eines Freundes zu merken. Werfen Sie einen kurzen Blick auf eine Zahlenreihe. Und wiederholen Sie diese nun mit geschlossenen Augen. Das sollte doch kein Problem darstellen, oder?
Vom Kurzzeit- zum Langzeitgedächtnis: Ein Übergang
Nach einigen Augenblicken verblassen die Worte und Zahlen im Kurzzeitgedächtnis allmählich. Doch selbstverständlich gibt es auch jene Dinge, die wir uns über längere Zeiträume merken müssen - denken Sie nur an Ihren eigenen Namen: Würden Sie diesen alle paar Minuten vergessen, wäre das äußert peinlich. Aus diesem Grund werden die relevanten Informationen nun dem Langzeitgedächtnis zugeführt.
Nur das Wesentliche bleibt erhalten
Das Langzeitgedächtnis ist in der Lage, Wörter, Bilder, Gerüche oder Klänge über viele Jahre hinweg zu speichern. Jedoch unterliegt es der Kontrolle eines sehr strengen Aufsehers: des limbischen Systems, das sich im Zentrum unseres Kopfes befindet. Dieser Bereich des Gehirns überprüft jede neue Information äußerst sorgfältig. Ist sie von Bedeutung? Positiv oder negativ? Oder zumindest amüsant? Viele Informationen werden daraufhin schlichtweg aussortiert. Andere dürfen passieren, insbesondere jene, die mit starken emotionalen Empfindungen verbunden sind.
"Liopleurodon" - Ist doch ein Kinderspiel!
Wenn Sie beispielsweise von einem älteren Schüler in der Schule bedroht werden, werden Sie unweigerlich vor Angst erzittern. Angst wird von Ihrem Gehirn als bedeutsam eingestuft. Daher leitet es die Identifikationsmerkmale des Unruhestifters umgehend an das Langzeitgedächtnis weiter. Auch bei Dingen, die Freude bereiten, zeigt unser Verstand Höchstleistungen auf olympischem Niveau: Dinosaurier-Enthusiasten können dutzende dieser urzeitlichen Kreaturen aufzählen - selbst wenn diese so sperrige Namen tragen wie "Liopleurodon" oder, ach du lieber Gott: "Eustreptospondylus". Diese haben sie sich gemerkt, ohne auch nur eine Sekunde angestrengt zu lernen!
Lernen: Welcher Lerntyp sind Sie?
Jeder Mensch lernt auf seine eigene Art und Weise. Wir präsentieren Ihnen die verschiedenen Lerntypen und geben wertvolle Ratschläge, wie Sie den Lernstoff effektiver aufnehmen können.
Was wird ausgeschlossen?
Was uns hingegen nicht fesselt, stellt für unser Gedächtnis eine erhebliche Hürde dar. Für die meisten Menschen sind Zahlen besonders schwierig zu merken. Erinnern Sie sich noch an die Ziffernfolge, die Sie vor drei Minuten gelesen haben? ? Diese ist höchstwahrscheinlich nun verloren, nicht wahr? Denn Ihr limbisches System fand sie schlichtweg todlangweilig.
Und - Halt! Du kommst hier nicht rein! - hat sich deshalb geweigert, sie in das Langzeitgedächtnis zu überführen. Aus ebendiesem Grund fällt Ihnen auch das Lernen in der Schule schwer, wenn Sie ein bestimmtes Fach als uninteressant empfinden.
Wie wir uns Informationen dauerhaft einprägen
Wie genau das Langzeitgedächtnis operiert, ist den Forschern bis heute nicht vollständig klar. Fest steht jedoch: Es ist nicht auf einen einzigen Ort im Gehirn beschränkt. Vielmehr leitet das limbische System die bedeutsamen Informationen an verschiedenste Bereiche der Großhirnrinde weiter.
Die Großhirnrinde repräsentiert den hochentwickeltsten Teil unseres Gehirns und ähnelt in gewisser Weise einem dicht bewachsenen Dschungel. Sie setzt sich aus Abermilliarden von Nervenzellen zusammen, die miteinander in komplexer Weise verknüpft sind. Durch diesen Urwald rasen die Gedanken wie elektrische Blitze: von einer Zelle zur nächsten. Mal in Richtung links, dann wieder nach rechts, um dann in einer rasanten Kurve nach oben zu schießen.
Dabei hinterlässt jeder Gedanke eine individuelle Spur im Gehirn - vergleichbar mit einem Abenteurer, der sich mit seinem Messer seinen Weg durch das Dickicht bahnt. Diese Spur ist dem Gehirn später wiederauffindbar. Dadurch erinnern wir uns an Namen und Bilder.
Durch Übung zur Spitzenform: Das Gedächtnis trainieren
Bei einigen hochbegabten Individuen wie Gianni Golfera gelingt dieses Meisterstück auf Anhieb fehlerfrei. Die Mehrheit von uns kann sich jedoch nicht an jedes einzelne Detail im Gedächtnis behalten. Aber - und das ist eine wichtige Erkenntnis - durch gezielte Übung lässt sich unser Erinnerungsvermögen durchaus optimieren. Lesen, Schreiben oder angeregte Diskussionen stellen beispielsweise ein hervorragendes Training dar.
Auch körperliche Betätigung ist förderlich, da sie die Durchblutung des Gehirns verbessert. Und Studien haben nachgewiesen, dass Kinder, die ein Musikinstrument erlernen, die Aussagen anderer Personen besser behalten können.
Gedächtnisschwäche durch exzessives Fernsehen
Bestimmte Aktivitäten können unser Gedächtnis hingegen regelrecht auslaugen, ähnlich wie Pudding: Übermäßiger Fernsehkonsum, da er kaum geistige Anstrengung erfordert. Oder auch bestimmte Computerspiele. Denn hierbei wird das Gehirn mit Tausenden von Bildern bombardiert, die es jedoch gerne aufnimmt, da sie Vergnügen bereiten. Glücklicherweise existieren aber auch Computerspiele, die das Gedächtnis tatsächlich aktiv fordern, anstatt es zu ermüden.
GEOLINO Nr. 06/03 - Supernase: Der Hund, ein ganz besonderer Freund