Die heiligen drei königinnen
Die Heiligen Drei Königinnen von Nairobi
„Hat dir das Essen geschmeckt?' - „Exzellent', erwiderte ich, und ich konnte keinen weiteren Bissen mehr verzehren. „Ich rede nicht mit dir, ich spreche mit dem Hund', entgegnet Schwester Barbara. Ist es ihr Ernst gewesen, oder wollte sie mich provozieren? Bei Schwester Barbara lässt sich das nie genau feststellen. Barbara und ihre beiden Mitbewohnerinnen, Schwester Kathy und Schwester Mary, vereint ein herzhafter, aber auch etwas rauer Humor. Wie man in Wien so schön sagt: Der Witz (der Schmäh) ist in der WG der Nonnen allgegenwärtig.
Ich durfte dem Trio eine Woche lang bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen. Von frühmorgens bis spät in die Nacht waren wir unterwegs. An den Orten, wo sie seit Jahren tätig sind: in den Armenvierteln von Nairobi. Vor vielen Jahren sind sie aus Irland in die kenianische Hauptstadt gekommen, um zu bleiben. Und um etwas zu verändern, um der Armut den Kampf anzusagen.
Die drei „Barmherzigen Schwestern' entsprechen kaum dem Klischee von Nonnen. Sie sind nicht fromm, beten nicht den ganzen Tag und leben nicht wie in einem Rosamund-Pilcher-Film in Ruhe und Abgeschiedenheit hinter Klostermauern. Ganz im Gegenteil. Je aufgewühlter und je unmittelbarer, desto besser. Die drei starken Frauen stehen jeden Tag aufs Neue ihren Aufgaben gegenüber - und das in einer Umgebung, die mich schnell zum Aufgeben bringen würde.
Zwei Millionen Menschen leben in den Armenvierteln von Nairobi. So viele wie in ganz Wien. Gefangen in einem Strudel aus Not und Elend, aus dem es kaum ein Entrinnen gibt. Für mich als Fremden oft eine Ansammlung hoffnungsloser Situationen. Für die drei starken Frauen ein Antrieb, noch härter zu arbeiten. Seit Jahrzehnten kämpft das Trio mit scheinbar unerschöpflicher Energie gegen Korruption und Misswirtschaft in der kenianischen Hauptstadt. Die „Schwestern der Barmherzigkeit' haben Schulen und Ausbildungsstätten inmitten der Armenviertel errichtet und so Zehntausende junge Menschen vor Verbrechen, Gewalt und Hunger bewahrt.
Wenn man mit ihnen durch die Slums geht, scheint jeder sie zu kennen. Die Menschen erzählen mir, wie die Schwestern ihnen geholfen haben. Die Schwestern erzählen hingegen Geschichten von Misserfolgen, Rückschlägen und persönlichen Dramen. Sie erzählen von Schützlingen, die sie mit viel Herzblut aus dem Sumpf von Drogen und Kriminalität gerettet haben, die aber ein, zwei Jahre später wieder vor ihrer Tür standen - und diese wieder offen stand.
Während der Woche beschäftigt mich vor allem eine Frage: Woher nehmen diese älteren Frauen nur ihre Motivation, ihre Energie und ihre Zuversicht? Für mich sind sie so etwas wie die Heiligen Drei Königinnen von Nairobi. Sie sind auf einer nie endenden Reise. Ihr Stern führt sie jeden Tag aufs Neue zu einem anderen Ort, zu einer neuen Herausforderung. Und dort finden sie in jedem Kind der Straße, in jedem Drogenabhängigen, in jeder minderjährigen Mutter, die nicht weiß, wie sie ihr Kind durch die nächste Woche bringen soll, das Jesuskind.
Wenn man mit ihnen durch die Slums geht, kennt jeder sie. Die Menschen erzählen einem, wie die Schwestern ihnen geholfen haben.