Zwangsstörung und Depression
Eine psychische Veranlagung, kennzeichnend durch wiederkehrende, unerwünschte Gedankengänge oder zwangsartige Verhaltensweisen, welche die Betroffenen über einen beträchtlichen Zeitraum in Beschlag nehmen, wird als Zwangsstörung bezeichnet. Die zwangshaften Vorstellungen gehen in den meisten Fällen Hand in Hand mit den zwanghaften Handlungen. Häufig begleiten körperliche Erscheinungen wie Anspannung, vermehrtes Schwitzen, Herzrasen oder unkontrolliertes Zittern innere Zwänge. Individuen mit dieser Störung tragen ein erhöhtes Risiko, zeitgleich eine depressive Erkrankung zu entwickeln, was die Notwendigkeit einer umgehenden Therapie unterstreicht.
„Menschen, die an Zwangsgedanken leiden, sind permanent von aufdringlichen, oft aggressiven, sexuellen oder belastenden Inhalten geplagt. Beispielsweise kreisen ihre Gedanken um die Furcht vor Ansteckung oder die Vorstellung, sich selbst oder andere zu verletzen“, erläutert Dr. Christa Roth-Sackenheim, die Leiterin des Berufsverbandes Deutscher Psychiater (BVDP) mit Sitz in Krefeld. „Übliche zwanghafte Verhaltensweisen umfassen das ständige Überprüfen, übermäßige Waschen, eine zwanghafte Ordnungsliebe, das Wiederholen von Handlungen oder das zwanghafte Zählen. Sowohl die zwanghaften Handlungen als auch die Gedankengänge beanspruchen extrem viel Zeit und können den Tagesablauf einer Person stundenlang dominieren. Dies führt zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit und einem sozialen Rückzug vom Freundes- und Familienkreis. Dabei steigt die Wahrscheinlichkeit, parallel eine Depression zu entwickeln - auch deshalb, weil Personen mit Zwangsstörungen zumeist die Sinnlosigkeit ihres Tuns erkennen, aber dennoch kaum Widerstand dagegen aufbringen können.“
Die genauen Ursachen von Zwangsstörungen sind noch nicht vollständig aufgedeckt worden. Sie resultieren aus dem komplexen Zusammenwirken diverser Einflüsse, zu denen Erziehungsstile, erbliche sowie biologische Faktoren und die individuelle Art und Weise gehören, wie ein Mensch auf seine Umwelt reagiert. „Während Menschen ohne diese Störung durch unangenehme oder unpassende Gedanken in ihrem Gedankengang nicht weiter negativ beeinflusst werden, berichten Personen mit Zwangserkrankungen von einem «Steckenbleiben» bei solchen Gedanken. Die persönliche Interpretation dieser Gedanken, beispielsweise als gefährlich, löst dann starke Angstgefühle und Anspannung aus“, verdeutlicht die Psychiaterin und Psychotherapeutin aus Andernach. „Das Ausführen der zwanghaften Handlungen dient folglich der Reduzierung dieser empfundenen Angst und Anspannung, um ein Gefühl von Sicherheit oder Richtigkeit zu erzielen. Aufgrund der darauf folgenden Beruhigung verstärkt sich im weiteren Verlauf der Drang, das zwanghafte Verhalten wiederholt auszuführen, was letztendlich zur Verfestigung der Zwangsstörung führt.“ Bei einem Großteil der Betroffenen manifestieren sich die ersten Anzeichen bereits im Kindes- und Jugendalter.
Aus Gründen der Scham verbergen Betroffene ihre Problematik üblicherweise, sodass die Störung oft selbst im engsten Freundeskreis lange unbemerkt bleibt. Menschen, die unter Zwangshandlungen und zwangshaften Gedanken leiden, verharren nicht selten jahrelang mit der Störung, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Personen, die von zwangsartigen Handlungen und Gedanken betroffen sind, sollten sich zeitnah in ärztliche Behandlung begeben, da die zwanghaften Rituale enorm viel Zeit und Energie beanspruchen und den Betroffenen ein normales Leben zunehmend erschweren können. „Als Behandlungsoptionen stehen die Verhaltenstherapie, gegebenenfalls unterstützt durch eine medikamentöse Therapie, zur Verfügung. Die überwältigende Mehrheit der Patienten erfährt davon langfristig eine Besserung und wird dadurch in die Lage versetzt, wieder ein eigenbestimmtes Leben zu führen - selbst wenn einige Zwänge nicht gänzlich verschwinden“, erklärt Dr. Roth-Sackenheim.
Zwangsstörungen weisen ohne angemessene Behandlung meist einen chronischen Verlauf auf, wobei die Intensität der Symptomatik variieren kann. Bestimmte zwanghafte Verhaltensweisen können auch physische Auswirkungen nach sich ziehen. So können beispielsweise durch zwanghaftes Waschen Hautentzündungen entstehen. Von Zwangserkrankungen ist im Laufe des Lebens ein Anteil von zwei bis drei Prozent der Bevölkerung betroffen. Dies platziert die Störung als die vierthäufigste psychische Beeinträchtigung.
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