Sisi: Die Kaiserin im Film
Die Anzahl der existierenden Darstellungen ist so umfangreich (weit mehr, als hier aufgeführt werden kann), dass die Abgrenzungen zwischen der faktischen Realität und fiktionalen Erzählung zunehmend ineinander übergehen. Hatte Elisabeths Mutter, Herzogin Ludovika in Bayern, tatsächlich die ursprüngliche Absicht, ihre älteste Tochter Helene mit dem österreichischen Kaiser Franz Joseph zu vermählen?
Das Publikum von Kino- und Fernsehproduktionen bejaht dies mit großer Überzeugung - die Geschichtsforschung zeigt sich diesbezüglich allerdings eher uneinig. Als gesichert gilt lediglich, dass die damals fünfzehnjährige Sisi im August des Jahres 1853 gemeinsam mit ihrer Mutter und Schwester zur Geburtstagsfeier des Kaisers nach Bad Ischl reiste. Der damals dreiundzwanzig Jahre alte Franz Joseph verliebte sich Hals über Kopf in seine junge Cousine; lediglich drei Tage später wurde die Verlobung öffentlich bekannt gegeben. Eineinhalb Jahre darauf, genau genommen im Jahr 1854, fand die kirchliche Trauung in der Wiener Augustinerkirche statt.
Sowohl in Wien als auch in Bad Ischl erinnern zahlreiche Örtlichkeiten, Verkehrswege und Bauwerke an die einstige Kaiserin; im heutigen München bedarf es einer längeren Suche, um solche Spuren zu finden: Der Elisabethplatz sowie die Elisabethstraße im Stadtteil Schwabing tragen ihren Namen, während die angrenzende Franz-Joseph-Straße nach ihrem Gemahl benannt ist. Elisabeth wuchs im Raum München und am Starnberger See auf, wo die Familie eine ländliche Residenz besaß. Schloss Possenhofen erfuhr Umbauten und beherbergt heutzutage Eigentumswohnungen.
Eine Besichtigung des Schlosses ist nicht möglich, doch die zugehörigen Parkanlagen sind für die Öffentlichkeit frei zugänglich. Auch als erwachsene Dame hielt sich Sisi gern am Starnberger See auf; sie suchte die Roseninsel heim und verbrachte Nächte im Hotel „Kaiserin Elisabeth' in Feldafing. Das betreffende Hotel existiert nach wie vor, wird jedoch in den kommenden Jahren umgestaltet. Im Hotelgarten erinnert ein prachtvolles Marmordenkmal an ihre Person.
Die Kaiserin in der Museumswelt
Während im Sisi-Museum der Wiener Hofburg Kleidungsstücke, Reisekoffer oder der amtliche Totenschein der Kaiserin betrachtet werden können und in Bad Ischl die einstige Sommerresidenz der Habsburger zur Besichtigung einlädt, pflegt man auch in Bayern das Andenken an ihr Erbe. Dies geschieht beispielsweise im Kaiserin-Elisabeth-Museum in Possenhofen: Sisi verbrachte die warmen Sommermonate ihrer Kindheit am westlichen Ufer des Starnberger Sees. Das in dem historischen Bahnhof Possenhofen untergebrachte Museum ist ebenfalls nur während der Sommermonate geöffnet. Dort werden Dokumente wie Briefe, Landkarten oder Gemälde, ferner Porträts, Puderdosen oder Gedenkmedaillen ausgestellt.
Ein weiteres Museum beherbergt das Wasserschloss im Aichacher Ortsteil Unterwittelsbach, welches Sisis Vater, Herzog Max in Bayern, gerne zur Jagd aufsuchte. Über lange Zeit hinweg war dieses kleine Schloss der Öffentlichkeit unzugänglich, doch heute steht es zur Besichtigung offen. Die einzelnen Räumlichkeiten widmen sich Themen wie Heirat, Ästhetik oder Reisen. Derzeit befindet sich das Museum in der Winterpause; ab April des Jahres 2023 wird die Ausstellung „Kaiserin Elisabeth - Ein Leben in Gold und Silber' ihre Pforten öffnen.
Obwohl es in Bayreuth kein explizites Sisi-Museum gibt, wird die Kaiserin dennoch in Erinnerung behalten: Als Verehrerin von Richard Wagner besuchte sie Anno 1888 eine „Parsifal'-Inszenierung im dortigen Festspielhaus. Eine weitere Verbindung besteht heutzutage: Die Netflix-Serie „Die Kaiserin' wurde im Neuen Schloss, in der Eremitage sowie im Schloss Fantaisie gedreht. Bei entsprechenden Besichtigungstouren kann fast ein Hauch von Sisi-Atmosphäre aufkommen.
Die Kaiserin auf der Kinoleinwand
Die Darstellerinnen Vicky Krieps, Susanne Wolff, Sunnyi Melles, Dominique Devenport oder Devrim Lingnau könnten in ihrer Wesensart kaum unterschiedlicher sein; eine Sache eint sie jedoch alle: Sie mussten sich allesamt mit einer wahren Ikone - nämlich Romy Schneider - messen lassen. An den drei „Sissi'-Verfilmungen aus den Fünfzigerjahren, in denen die junge Romy Schneider brillierte, kommen auch die heutigen Filmgrößen kaum vorbei.
Romy Schneider beklagte ihr Leben lang, dass die Rolle an ihr haften geblieben sei „wie Grießbrei'. Einen vierten „Sissi'-Film lehnte sie kategorisch ab; für Luchino Visconti machte sie jedoch eine Ausnahme: Der italienische Filmregisseur inszenierte im Jahre 1972 mit Helmut Berger einen Film über „Ludwig II.', wobei Romy Schneider dessen Großcousine Elisabeth verkörperte. Mit der liebenswerten Sissi aus ihren Teenagerjahren hatte diese Darstellung aber keinerlei Gemeinsamkeiten mehr.
Die „Sissi'-Filme werden alljährlich im Fernsehen ausgestrahlt und sind auch als Stream verfügbar. Andere filmische Werke dieser Zeit sind heute in Vergessenheit geraten, vielleicht sogar zu Recht: Im Jahre 1989 drehte Walter Bockmayer die Trash-Revue „Sissi - Beuteljahre einer Kaiserin' (basierend auf seinem gleichnamigen Theaterstück); zwei Dekaden später erschien Michael „Bully' Herbigs Animationsfilm „Lissi und der Wilde Kaiser' in den Lichtspielhäusern. Die Sisi-Filme reflektieren zudem stets den Zeitgeist: Von der Märchenkaiserin der Wirtschaftswunderära entwickelte sie sich zu einer Parodie im Pop-Zeitalter.
Mit märchenhaftem Prinzessinnen-Kitsch oder bloßen Parodien möchten die neueren Produktionen (einschließlich des im Jahr 2019 entstandenen Dokudramas mit Sunnyi Melles) nichts zu tun haben. Vicky Krieps beispielsweise brilliert in „Corsage' als eine vierzigjährige Kaiserin, die mit ihrem Lebensalter, ihrem äußeren Erscheinungsbild und ihrer öffentlichen Rolle hadert und ringt. Der Film der österreichischen Regisseurin Marie Kreutzer wurde im Mai des Jahres 2022 in Cannes präsentiert und eröffnete das Filmfest München; seit Kurzem ist er als DVD oder auch als Stream käuflich erwerbbar. Und Krieps wurde im Rahmen des Europäischen Filmpreises als beste Darstellerin ausgezeichnet.
Für März des Jahres 2023 ist der Kinofilm „Sisi & ich' von Frauke Finsterwalder und Christian Kracht geplant, der einen feministisch-satirischen Blick auf Elisabeth (dargestellt von Susanne Wolff) aus der Perspektive ihrer Hofdame (verkörpert von Sandra Hüller) bietet. Die Ikone der Kaiserin erfindet sich eben immer wieder aufs Neue.
Die Kaiserin wird zur Serienfigur
Während auf der Kinoleinwand aktuell die ältere Kaiserin im Mittelpunkt steht, bleibt sie im Fernsehen ewig jung: Im Jahre 1997 wurde sie zu einer Zeichentrickfigur; die französisch-kanadische Serie „Sissi' widmete sich über 52 Episoden hinweg Themen wie der großen Liebe, Eichhörnchen, Pferden und Papageien.
Nicht ganz so kindgerecht verläuft die Handlung in der RTL-Serie „Sisi' (aus dem Jahre 2021): Bereits in der allerersten Episode ist die fünfzehnjährige Titelheldin (Dominique Devenport) beim Masturbieren im Bett zu sehen. Immerhin beichtet Sisi ihrer Schwester, dass ihre Gedanken dem Kaiser (Jannik Schümann) galten. Historische Genauigkeit war den Produzenten nicht von vorrangiger Bedeutung; sie beabsichtigten, eine zeitgemäße und vielschichtige weibliche Figur zu präsentieren. Dem Publikum scheint dies gefallen zu haben: Die Serie avancierte zu einem Erfolg (zunächst als Streaming-Angebot, anschließend im TV-Programm von RTL); eine zweite Staffel ist soeben veröffentlicht worden.
Mit „Die Kaiserin' präsentiert Netflix eine Sisi „Made in Germany' für den globalen Markt: Ebenfalls sechs Episoden umfassend und gleichermaßen sehr frei interpretiert, behandelt sie die Romanze zwischen Sisi und Franz (Devrim Lingnau und Philip Froissant). Die Serie hat sich zu einem weltweiten Phänomen entwickelt und war in achtzigacht Ländern in den Top Ten der Serien des Streamingdienstes vertreten. Aus diesem Grund wird die Produktion fortgesetzt; neue Episoden werden im Laufe des Jahres 2023 gedreht werden.
Bühne frei für die Kaiserin
Dort steht sie auf der Bühne und intoniert: „Ich bin nicht das Besitztum von dir, denn ich gehöre nur mir allein.' Die Lebensgeschichte der Kaiserin erlebte vor dreißig Jahren in Wien ihre Uraufführung als Musical. Es handelt sich um einen metaphorischen Totentanz, der die Ereignisse von ihrem Ende her aufrollt; Sisis Mörder Luigi Lucheni übernimmt hierbei eine zentrale und tragende Rolle. „Elisabeth' von Michael Kunze und Sylvester Levay entwickelte sich zu einem herausragenden Publikumserfolg und wurde in Österreich, Deutschland, Ungarn, Italien, Finnland, Südkorea sowie Japan aufgeführt. In München machte es im Rahmen einer Tournee mehrfach Station; in Wien wird es im Sommer des Jahres 2023 als konzertante Darbietung im Schloss Schönbrunn gezeigt werden.
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Ebenfalls in Wien feierte die Operette „Sissy' ihre Premiere, allerdings bereits im Jahre 1932. Das Libretto stammte von den Brüdern Hubert und Ernst Marischka; Letzterer führte später, ab 1955, auch Regie bei den „Sissi'-Filmen. Die Operette wird nach wie vor aufgeführt, zuletzt im Sommer des Jahres 2022 in Österreich. Im bayerischen Landkreis Aichach-Friedberg wurde vor einigen Monaten die Theaterproduktion „Sisi - Schwarz ist der Kronprinz meiner Farben' präsentiert, die auf Dichtungen der Kaiserin und von Heinrich Heine basiert. Für 2023 sind weitere Aufführungen vorgesehen: im Wittelsbacher Schloss Friedberg.
Doch noch einmal zurück zu Ernst Marischka: Am zwölften Februar des Jahres 2023 wird im Gasteig HP8 sein „Sissi'-Film aus dem Jahre 1955 auf einer imposanten Leinwand präsentiert. Das Besondere daran: Die Filmmusik, komponiert von Anton Profes, wird live vom Pilsen Philharmonic Orchestra dargeboten.
Bücher über die Kaiserin
Eine Vielzahl von Publikationen über die Kaiserin ist erhältlich; in den letzten Jahren erschienen Biografien, Romane, Chroniken, Kriminalromane oder Comicbücher. Es existiert sogar ein Sisi-Kochbuch - mit all jenen bayerisch-österreichischen Delikatessen, die die an einer Essstörung leidende Kaiserin mit Sicherheit niemals zu sich genommen hat.
In den aktuellen Bestsellerlisten befindet sich Karen Duves bei Galiani veröffentlichter Roman „Sisi'. Auf dessen Schutzumschlag ist jedoch kein Bild der Kaiserin zu sehen, sondern das von zwei prachtvollen Pferden. Und eben um Pferde dreht es sich auch in diesem Werk: Es geht um den Reitsport des neunzehnten Jahrhunderts, um Jagdausflüge und die dafür benötigten Pferde, Garderobe sowie Ausrüstungsgegenstände. Ursprünglich habe sie ein Buch über Pferde verfassen wollen, äußerte Duve in einem Gespräch. Dann aber stieß sie auf die Historie jener Dame, von der es hieß, sie sei zu ihrer Zeit die herausragendste Reiterin der gesamten Welt gewesen: Sisi. So entwickelte sich aus dem ursprünglich geplanten Pferdebuch ein Roman über die vermutlich berühmteste weibliche Persönlichkeit des neunzehnten Jahrhunderts.
Und genau aus diesem Grund wird die Flut an neuen Büchern, Filmen, Serien, Bühnenstücken oder Ausstellungen über die Kaiserin so schnell kein Ende nehmen; man besingt ihre einzigartige Schönheit, bewundert ihren unbeugsamen Eigensinn und beklagt ihr tragisches Lebensende am Genfer See. Immer wieder aufs Neue und stets wiederholt - das Publikum kann von ihr einfach nicht genug bekommen.